Geldpolitische Analysen müssen die Finanzmärkte und ihre Akteure einbeziehen! Das war eine Schlussfolgerung unseres ersten Beitrags über die EZB-Konferenz in Sintra wie nicht weniger früherer Beiträge in FAZIT. Dieses Thema kehrt in dem in Portugal vorgestellten Papier der Princeton-Ökonomen Markus Brunnermeier und Yuliy Sannikov wieder, von dem wir hier die Politikempfehlung bringen. (Hier sind die Schaubilder des Vortrags.) *) Die beiden Autoren haben mittlerweile auch eine Zusammenfassung bei Voxeu veröffentlicht.
Die neuesten Daten der EZB zeigen weiterhin einen Rückgang der Bankkredite an Unternehmen und Privatpersonen. Trotz einer leichten konjunkturellen Erholung der Wirtschaft in der Währungsunion gilt die Kreditentwicklung als eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einer größeren wirtschaftlichen Dynamik. **)
Brunnermeier/Sannikov leiten aus ihrer theoretischen Konzeption einen Vorschlag ab, der seit kurzem auch von Geldpolitikern diskutiert wird: der Bündelung von Krediten an kleine und mittlere Unternehmen in handelbare Wertpapiere (Verbriefung). Verbriefungen wenig liquider Forderungen, genannt “Asset Backed Securities”, sind seit langem in den Vereinigten Staaten verbreitet und gelten leider auch als ein Auslöser der Finanzkrise. Allerdings sollte ein an sich sinnvolles Finanzinstrument nicht für alle Zeiten verdammt werden, weil damit Missbrauch getrieben worden ist. Vielmehr sollte künftig darauf geachtet werden, dass Missbrauch (so weit wie möglich) unterbleibt.
Ihre Argumentation geht so:
- Nicht alle für die Umsetzung der Geldpolitik notwendigen Finanzmärkte existieren. So fehlt in der Europäischen Währungsunion ein Markt für Verbriefungen von Konsumentenkrediten sowie von Krediten an kleine und mittlere Unternehmen.
- Dieses Fehlen führt zu einer Asymmetrie: Die Geldpolitik der EZB begünstigt die Staaten, weil sie hilft, die Renditen von Staatsanleihen zu senken. Die Geldpolitik begünstigt zudem die großen Unternehmen, weil die Renditen auf deren Anleihen mit den Staatsanleihen gesunken sind. Die Geldpolitik erreicht aber nicht bzw. unzureichend die mittleren und kleinen Unternehmen, die überwiegend von der Kreditfinanzierung abhängig sind. Der Markt für diese Kredite profitiert nicht bzw. nur wenig von der Geldpolitik der EZB. Diese Asymmetrie ist nicht nur ungerecht, sondern schwächt die Effizienz der Geldpolitik, da ein Teil ihres Transmissionsmechanismus gestört ist.
- Daher ist es sinnvoll, in der Währungsunion einen Markt für handelbare Wertpapiere zu entwickeln, in denen illiquide Unternehmens- und Konsumentenkredite gebündelt werden können.
- Ein solcher Markt muss sehr vorsichtig und gewissenhaft entwickelt werden und dabei gibt es zahlreiche technische und juristische Hürden. Am Ende der Arbeiten soll ein standardisierter und transparenter Markt stehen, der fünf Vorzüge bietet:
- Erstens kann bei einer kurzfristigen Betrachtung die Schaffung eines solchen Marktes die Kreditvergabe beleben. Die heute zögerlichen Banken müssten die Kredite nicht in ihren Büchern behalten (wo sie knappes Eigenkapital beanspruchen), sondern können sie gebündelt als Wertpapiere weiter verkaufen. Käufer könnten sich unter anderem bei Großanlegern wie Fondsgesellschaften und Versicherern finden – womit das Kreditrisiko aus dem angespannten Bankensektor in andere Bereiche des Finanzsektors wandert, wo sich viele gesunde Unternehmen finden. Gleichzeitig würden sich dadurch Risiken aus der Fristentransformation reduzieren, weil mit langfristigen Geldern ausgestattete Anleger Wertpapiere mit längeren Laufzeiten kaufen. Zur aktuellen Krise hatte ja wesentlich beigetragen, dass mit kurzfristigen Geldern längerfristige Wertpapiere gekauft wurden.
- Zweitens sorgen solche Verbriefungen für eine weniger asymmetrisch wirkende Geldpolitik. Sollte sie noch einmal in den Markt für Staatsanleihen eingreifen, würden Großanleger als Alternative nicht nur Anleihen von Großunternehmen kaufen, sondern auch Verbriefungen aus Krediten an kleine und mittlere Unternehmen. Der geldpolitische Transmissionsmechanismus funktionierte viel besser.
- Drittens würde eine Standardisierung ***) solcher Verbriefungen eine einheitliche Anlageklasse für die gesamte Währungsunion schaffen und damit einen Beitrag zur Überwindung der Segmentierung nach Ländern leisten.
- Viertens würden sich mit hoher Bonität ausgestattete Tranchen solcher Wertpapiere (“senior component”) als Pfand für Geldmarktgeschäfte bei der EZB eignen. Damit entstünde ein “European Safe Asset”, das in Krisenzeiten – zum Beispiel starken Kapitalbewegungen von der Peripherie zum Kern – stabilisierend wirkt. ****)
- Fünftens entstünde damit ein europäischer Markt, der – weil er auf Krediten an Unternehmen und Konsumenten beruht – den Teufelskreis zwischen der Verschuldung von Staaten und Banken bricht.
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*) Den theoretischen Hintergrund – die sogenannte “I Theory of Money” – hatten wir vor einiger Zeit in einem FAZIT-Beitrag beschrieben und wir werden auf die Theorie in den nächsten Wochen zurück kommen.
**) Es existiert zwar auch das Phänomen eines “Aufschwungs ohne Kredit”, aber es lässt sich nur in Sonderfällen beachten.
***) ” While the statistical properties of default rates for consumer loans, especially for car loans, are by now well understood and stable, the reaction of the value of an SME loan portfolio to various risk factors is less known. As a consequence, tranching of SME loans has to be more conservative. In addition, securitization has to be designed in a way that minimizes asymmetric information problems. Pooling should ideally diversify away any soft informational advantage the initial issuer of the SME loans might have. From a legal perspective, a harmonized bankruptcy law would be desirable but is not necessary.” (Brunnermeier/Sannikov)
****) Brunnermeier tritt schon seit ein paar Jahren mit anderen Ökonomen für ein solches sicheres europäisches Asset ein – bisher auf der Basis von Staatsanleihen und unter der Bezeichnung “Esbies”.
von Gerald Braunberger erschienen in Fazit - das Wirtschaftsblog ein Blog von FAZ.NET.